Gamification: Epic Win für die Geschäftswelt?
Sie duschen selten, ihre Haut ist bleich und ihre Freunde haben sie im Real Life noch nie gesehen. Gamer galten noch vor wenigen Jahren als Nerds. Doch die Welt hat sich gedreht. Spätestens seit Angry Birds, Farmville und Co. sind Videospiele im Mainstream angekommen. Jeder spielt. Die Branche setzt heute weltweit Summen um, von denen Hollywood nur noch träumen kann (siehe diese Infografik). Inzwischen werden auch andere Wirtschaftszweige darauf aufmerksam und integrieren Spielelemente in den Unternehmensalltag. Was steckt hinter dem Trend Gamification?
Menschen sind Spielkinder. Wir sammeln Trophäen („mein Auto, mein Haus, meine Jacht“), jagen Abenteuern hinterher (Karriere, Urlaub), messen uns mit anderen (Sport). Das motiviert – und treibt uns an, immer mehr aus uns herauszuholen. Was Gamer schon immer wussten, erkennt jetzt auch die Wirtschaft: Spiele können helfen, die Balance zwischen Stress und Langeweile zu finden. Gute Spiele erzeugen Flow – einen wahren Schaffensrausch. Jede Aufgabe scheint zu gelingen, selbst Misserfolge motivieren dazu, es gleich noch einmal, noch besser zu machen.
Wie schaffen Games, was Arbeits- und andere Psychologen seit Jahrzehnten beschäftigt? Sie geben klare Anweisungen. Ein Spieler weiß immer, was er zu tun hat – um den Endgegner zu besiegen, den Schatz zu finden, die Prinzessin zu retten. Gute Games überfordern nie, sondern stellen Hürden auf, die sich mit Ehrgeiz überspringen lassen. Der Spieler wächst an seinen Aufgaben. Und er erhält sofort Feedback, wird für gute Leistungen belohnt. Mit Punkten, Rangabzeichen (Badges), neuen Missionen.
Das Prinzip lässt sich auf das Business übertragen. Personalexperten können so beispielsweise Mitarbeiter motivieren, Marketers ihre Kunden begeistern. Vom neuen Produkt. Der neuen Kampagne. Oder einfach davon, ihre Adressdaten preiszugeben. Immer mehr Unternehmen springen deshalb auf den Zug auf. Gartner-Analyst Brian Burke schätzt: Bis 2015 werde jede zweite Firma ihre Prozessinnovationen mit Gamification vorantreiben.
Geschäftsziele spielerisch erreichen
Nike hat das längst getan. Mit der Nike+-App kann jeder Rad- und Laufbegeisterte seinen sportlichen Fortschritt nachverfolgen, mit Freunden vergleichen – und sich so fit machen für den nächsten Wettkampf. Der Unternehmensberater Deloitte bildet seine Consultants in der gamifizierten Leadership Academy fort. Wer erfolgreich ist, schaltet neue kostenlose Kurse frei und weist sein Wissen über Badges nach. Das britische Arbeitsministerium lässt Mitarbeiter über die Wissensplattform Idea Street innovative Ideen vorschlagen. Was im „Buzz Index“ weit oben landet, wird umgesetzt.
Der Softwarehersteller SAP gilt unter Experten als einer der Vorreiter der B2B-Gamification. Aushängeschild ist das SAP Community Network (SCN): eine Collaboration-Website für Mitarbeiter, Partner und Entwickler. Seit April 2013 können User dort „Missionen“ erfüllen, beispielsweise anderen Nutzern helfen. Die hilfreichsten und produktivsten Teilnehmer werden regelmäßig ausgezeichnet – und so international bekannt. Ein guter Ruf und Anerkennung motiviert heute zwei Millionen Menschen dazu, täglich 1.200 neue Diskussionen zu starten und 7.000 Kommentare zu schreiben. Für manche wird das sogar zum Karriereboost: Arbeitgeber fragen inzwischen gezielt nach dem Expertenstatus im SCN – eine Referenz für Know-how und Soft Skills.
Klare Spielregeln definieren
So verlockend die Möglichkeiten klingen: Es genügt nicht, beliebigen Prozessen ein Korsett aus Badges, Highscores und Ranglisten überzustülpen. Falsch angewendet, geht der Schuss schnell nach hinten los. Mitarbeiter vertrödeln ihre Zeit oder fühlen sich unter Druck gesetzt. Und Kunden merken, wenn sie nur manipuliert werden sollen.